Täter

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Seid Täter des Worts und nicht Hörer allein; sonst betrügt ihr euch selbst.
(Jakobus 1,22)

Täter haben bei uns keinen guten Leumund. Das sind solche, die nachts in fremde Häuser einsteigen, Autos klauen und Hasskommentare im Internet schreiben. Das Wort Täter verbinden wir mit Straftätern, die nichts Gutes im Schilde führen.

Täter zu sein hat auch Martin Luther nicht gefallen. Niemand kann sich durch eigenes Tun erlösen und niemand hat sein eigenes Leben vollständig unter Kontrolle. Deshalb konnte er mit dem Jakobusbrief nicht viel anfangen und hat ihn fast ans Ende des Neuen Testaments gerückt, wo er in jeder Lutherbibel bis heute steht. In einer Fernsehserie rettete ein Doktor ein ganzes Dorf, in dem die Cholera wütete. Niemand wusste, was diesen hochspezialisierten und kompetenten Arzt in ein so kleines und verschlafenes Nest verschlagen hatte. Niemand wusste es und der Arzt schwieg sich beharrlich darüber aus. Irgendwann kam das Geheimnis des Doktors heraus: Er hatte im Krieg an Menschen experimentiert. Diese ungeheuerliche Tat wollte er sühnen, indem er nun Menschen ohne Gegenleistung half. Er wollte auf diese Weise vor seiner dunklen Vergangenheit fliehen, musste aber erkennen, dass man eine Untat nicht mit einer guten Tat ungeschehen machen kann und wenn sie noch so großartig ist. Die Erlösungsbedürftigkeit des Menschen und die Notwendigkeit einer Errettung aus Gnade resultieren aus dieser Erkenntnis: Jeder Mensch ist gleichzeitig Täter des Guten und Übeltäter. Es lässt sich nicht trennen.

Seid Täter des Worts. Etwas griffiger könnte man sagen: Seid Täter des Guten. Das Gegenteil von Rettung durch Gnade ist nicht die Hände in den Schoß zu legen. Es ist eigentlich eine Konsequenz aus der Vergebung: Wem Gutes widerfahren ist, der gibt Gutes weiter. Wenn man selbst erlebt hat, wie gut es tut, wenn jemand in der Not für einen da ist, dann bekommt man einen Blick für die Menschen, die vielleicht meine Hilfe brauchen. Unsere Welt wird nicht besser, weil wir Gutes tun, sondern sie wird besser, weil wir Gutes erfahren haben. Ich bin immer wieder überrascht, wie hilfsbereit manche Menschen sind. Nicht alle fahren bei einer Autopanne vorbei. Manche halten auch an und fragen, ob sie helfen können. Wenn man so etwas erlebt, führt kein Weg mehr daran vorbei, selbst zum Täter des Guten zu werden. Der Kinderbuchautor Erich Kästner hat es einmal so formuliert: „Es gibt nichts Gutes, außer: Man tut es.“ Aber was ist dieses Gute? Alles, was unsere Welt besser macht. Alles, was die Menschen zueinander führt. Alles, was die Angst zurückdrängt und Vertrauen ins Leben schafft.

„Es gibt nichts Gutes, außer: Man tut es.“ Oft wird der Ausspruch Kästners kritisiert, weil er so ausschließlich und absolut ist. Er stimmt aber, wenn man Gnade und Tat nicht gegeneinander ausspielt. Sie gehören zusammen. Jeder Mensch ist gleichzeitig Täter des Guten und Übeltäter, macht vieles richtig und einiges falsch. Wir Deutschen tun uns besonders schwer, diese Tatsache zu akzeptieren. Unsere Fehlerkultur könnte besser sein. Vielleicht hängt sie damit zusammen, dass der christliche Glaube kaum noch eine Rolle spielt. Er sagt nämlich: Unser Leben ist getragen ist von einer Güte, die alles umschließt. Auch das, was zerbrochen und falsch gelaufen ist. Die Schatten in unserem Leben verlieren in Gottes Licht ihre Schrecken.