Entsetzen

Ostern ist der Zusammenbruch unseres Weltbildes. Es behauptet, dass nichts so ist, wie es zu sein scheint und unsere Welt mehr ist als wir erklären können. Eine gute Zusammenfassung davon ist folgender Satz aus der Bibel:

Er aber sprach zu ihnen: Entsetzt euch nicht! Ihr sucht Jesus von Nazareth, den Gekreuzigten. Er ist auferstanden, er ist nicht hier. Siehe da die Stätte, wo sie ihn hinlegten. (Markus 16,6)

Ein Satz, der alles verändert – aber wie viele sind noch bereit, ihn zu hören? Nimmt man ihn so, wie er da steht, weiß man zunächst gar nicht, wer da zu wem spricht. Ein Engel redet zu Frauen. Wer glaubt schon an Engel? Und wer glaubt in der orientalischen Antike schon den übertriebenen Geschichten von ein paar hysterischen Frauen? Die Jünger jedenfalls nicht und der aufgeklärte, wissenschaftlich gebildete Mensch auch nicht.

Es gibt genug Indizien, dass unsere Welt nicht nur Bekanntes und Vertrautes enthält. Aber wir glauben es nicht, weil wir uns aus unseren Blasen nicht heraustrauen, denen des Glaubens und der Meinung. Es ist ein trauriges Zeichen unserer Zeit, dass unsere Toleranz für Vielfalt und Einstellungen immer geringer wird. Auf Neudeutsch sagt man dazu „Ambiguitätstoleranz“ und meint, dass man heute sehr schnell innerlich mit dem Kopf schüttelt und die inneren Rollläden heruntergehen. Man will mit Leuten nichts zu tun haben, die „komische“ Ansichten vertreten.

So wie unser Engel in unserem Vers. Der vertritt auch komische Ansichten. Er behauptet, der Gekreuzigte ist nicht länger tot, sondern auferstanden. Zum Beweis zeigt er sogar auf die Stelle, wo der Leichnam hätte liegen sollen. Heute würde man so jemanden wahrscheinlich sofort aus jeder Talkshow ausladen. Diesem Geschwurbel darf man keine Plattform bieten.

Dabei hätte uns das Fremde, Abseitige, Nonkonformistische viel zu sagen. Es könnte unsere Meinung davon, wie die Welt funktioniert, verändern. Es könnte uns sogar neues Leben schenken. Wir würden eine Ahnung davon bekommen, dass sie nicht nur vielfältiger, bunter und abwechslungsreicher ist, als wir bisher dachten und einen Blick gewinnen auf das, was hinter dieser Welt liegt und auf uns wartet: Die Ewigkeit.

Aber die Frauen liefen entsetzt davon – und nun? Das liegt bei uns.