Dankbarkeit

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Als unsere Töchter noch nicht sprechen konnten, brachten wir ihnen Zeichensprache bei. In einem Buch wurde erklärt, wie das geht: Man zeigt Bilder von Tieren, sagt den Namen und macht das entsprechende Zeichen.

Für einen Hasen hält man z.B. die beiden Hände über den Kopf als große Wackelohren. Für eine Ente legt man sie vor den Mund und klappt sie auf und zu wie einen Schnabel. Es gibt auch sehr nützliche Zeichen, die z.B. beim Essen signalisieren, ob man noch Hunger hat oder satt ist. Unsere Kinder waren davon begeistert. Es dauerte keinen Monat, bis sie sich auf diese Weise mit uns verständigen konnten, obwohl sie noch kein Wort sprachen.

Als sie schon älter waen und sprechen konnten, behielten wir manche Zeichen wie eine Geheimsprache bei. Die Hand zu einer Faust zu ballen und zweimal wie mit einem Kopf zu nicken, bedeutete „Danke“. Als die Großeltern zu Besuch waren und den Kindern Süßigkeiten schenkten, machte ich hinter ihrem Rücken dieses Zeichen. Unsere Töchter verstanden sofort und bedankten sich artig. Das war allemal besser, als der sonst übliche Standardspruch: „Wie sagt man da?“

Nicht nur das Zeichen für „Danke“, sondern Dankbarkeit selbst ist nicht selbstverständlich. Man muss sie einüben. Folgender Vers kann hier helfen:

Danket dem Herrn; denn er ist freundlich, und seine Güte währet ewiglich.

Psalm 106,1

Dieser Satz ist keine Beschreibung der Realität unseres Lebens, denn da passieren Dinge, die uns an Gottes Güte und Freundlichkeit zweifeln lassen. So erging es auch den Psalmschreibern. Sie haderten oft mit Gott, weil sie die Welt und ihre Ungerechtigkeit nicht verstanden. Sie fragten ihn, warum es dem Ungerechten gut geht, während die Ungerechten leiden müssen. Sie richteten ihre Fragen aber immer an Gott – und dann gibt es innerhalb des Psalms immer eine Wende oder mindestens ein Moment der Hoffnung wie eine Lichtung, die sich mitten im Dickicht des Waldes auftut, in dem man umherirrt. Unser Satz ist eine Glaubensaussage. Er gibt die Überzeugung wieder, dass die Probleme im Leben nicht auf einen missgünstigen oder rachsüchtigen Gott zurückzuführen sind, den man mit Opfern und Gaben besänftigen muss. Gott ist freundlich trotz unserer unfreundlichen Erfahrungen. Gott ist gütig trotz der Härte, die wir erleben.

Heute versuchen wir nicht mehr wie damals die Götter mit Opfergaben zu besänftigen, aber wir machen immer noch den gleichen Fehler – nur auf „atheistisch“. Wir versuchen uns gegen alle möglichen Katastrophen abzusichern. Wir stecken in der Illusion, das Leben kontrollieren zu können. Wenn es uns entgleitet, reagieren wir panisch und suchen Schuldige.

Wir sollten nicht länger unsere Zeit damit verschwenden, das schützen zu wollen, was man nicht schützen kann – und was auch nicht schützenswert ist. Wir sollten darauf schauen, wo wir Gottes Freundlichkeit und Güte in unserem Leben sehen. Das kann man am besten, wenn man einübt, Danke zu sagen. Es gibt viele Möglichkeiten dazu: Man könnte unseren Vers an seinen Badspiegel kleben. An jedem Morgen beim Zähneputzen wird man daran erinnert, auf das zu schauen, was an diesem Tag gut werden wird. Man könnte sich ein paar Erbsen in die linke Hosentasche stecken. Wenn etwas passiert, wofür man dankbar ist, kommt eine Erbse in die rechte Hosentasche. Am Abend zählt man, wie viele Erbsen rechts gelandet sind. Diese Methoden sind wie stete Tropfen, die auf den trockenen Boden fallen und ihn allmählich durchfeuchten, damit er endlich wieder zu grünem Leben erwacht.

„Danket dem Herrn“ – dieser Satz aus Psalm 106 spiegelt nicht unbedingt unsere Realität wider. Aber er ist trotzdem wahr, denn er sagt uns eine Glaubensüberzeugung, die wir alle brauchen: Unser Leben ist getragen von einer Macht, die uns freundlich gesinnt ist und uns mit einer Güte begegnet, die ewig währt.